ARBEITS- UND SOZIALRECHT

 

Internationale Sachverhalte

Immer häufiger werden, vor allem in den Grenzregionen, grenzüberschreitende Arbeitsverträge geschlossen, bei denen beide Parteien (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) ihren (Wohn-) Sitz in zwei unterschiedlichen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben.

Um auch für die in diesem Verhältnis auftretenden Streitigkeiten zwischen den Parteien einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, wurden Regelungen für Individualarbeitsverträge im materiellen Europarecht durch Richtlinien und im prozessualen Europarecht innerhalb der EuGVVO (auch Brüssel-Ia-Verordnung) sowie in der Rom-I-Verordnung geschaffen.

a) Regelungen in der EuGVVO

Die Art 20 bis 23 der EuGVVO enthalten spezielle Zuständigkeitsregelungen für Streitigkeiten über Individualarbeitsverträge. Sie bestimmen den im Streitfall einschlägigen Gerichtsstand, wenn sich der Sitz des Arbeitgebers und der Wohnsitz des Arbeitnehmers in zwei unterschiedlichen Mitgliedsstaaten befinden. Die Regelungen unterscheiden danach, ob der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer jeweils das gerichtliche Verfahren anstrebt, da in beiden Fällen die Schutzbedürfnisse unterschiedlich zum Tragen kommen.

Klagt der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber, so kann zum einen das Gericht am Wohnsitz des Arbeitgebers zuständig sein. Allerdings eröffnet die Regelung in Art 21 EuGVVO dem Arbeitnehmer zusätzlich die Möglichkeit, am Gericht seines gewöhnlichen Arbeitsorts oder, wenn sich ein solcher gewöhnlicher Arbeitsort nicht bestimmen lässt, am Ort der Einstellungsniederlassung Klage zu erheben.

Klagt hingegen der Arbeitgeber gegen seinen Arbeitnehmer, so ist nur das Gericht am Wohnsitz des Arbeitnehmers zuständig.

Natürlich können zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch individuelle Gerichtsstandsvereinbarungen getroffen werden, bei denen ein bestimmter Gerichtsstand als ausschließlicher Gerichtsstand festgelegt wird, allerdings gibt es hierbei zwei Voraussetzungen, die zwingend vorliegen müssen, damit eine solche Vereinbarung gültig ist. Zum einen muss diese Vereinbarung nach dem Entstehen der Streitigkeit getroffen werden und zum anderen muss sie dem Arbeitnehmer die Befugnis einräumen, ein anderes Gericht als das am Sitz des Arbeitgebers, seinem gewöhnlichen Arbeitsort oder dem Ort seiner Einstellungsniederlassung anzurufen.

b) Regelungen in der Rom-I-Verordnung

Während die EuGVVO Regelungen zum Gerichtsstand enthält, finden sich in der Rom-I-Verordnung Bestimmungen, anhand derer sich das im Einzelfall anwendbare nationale materielle Arbeitsrecht bestimmen lässt.

Grundsätzlich haben die Arbeitsvertragsparteien die freie Wahl, welchem nationalen (Arbeits-) Recht der Vertrag unterliegen soll. Das nationale Recht des Beschäftigungsstaates ist m.a.W. nicht automatisch anwendbar. Eine solche Rechtswahl kann sowohl eindeutig als auch schlüssig / konkludent erfolgen.

Eine Rechtswahl ist jedoch nur innerhalb einer bestimmten Grenze möglich. In jedem Fall kann sich der Arbeitnehmer jedoch auch im Falle einer anderweitigen Rechtswahlklausel stets auf die zwingenden nationalen Regelungen desjenigen Landes berufen, in dem er den Großteil seiner Arbeit verrichtet, wenn diese Regelungen für den Arbeitnehmer vorteilhafter sind. Zu diesen zwingenden nationalen Regelungen zählen dabei grundsätzlich solche Regelungen, von denen nicht per vertraglicher Abrede abgewichen werden kann. Darüber hinaus sind international zwingende Vorschriften, die sogenannten Eingriffsnormen, sowie das Recht der Ordre Public stets unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Arbeitnehmers zu beachten.

Sollte sich in dem Arbeitsvertrag keine entsprechende Rechtswahlklausel finden, so gelangen grundsätzlich die nationalen Regelungen desjenigen Landes zur Anwendung, in dem der Arbeitnehmer sowohl unter qualitativen als auch unter quantitativen Gesichtspunkten den Großteil seiner Arbeit erbringt.

Lässt sich der Ort der gewöhnlichen Tätigkeit des Arbeitnehmers weder qualitativ noch quantitativ bestimmen, so gelangen die nationalen Regelungen desjenigen Landes zur Anwendung, in dem der Arbeitgeber eine Niederlassung unterhält.

c) betriebliche Entsendungen

Infolge der anhaltenden Globalisierung wächst auch die Bedeutung von länderübergreifenden Tätigkeiten der Unternehmen. Deshalb gewinnt die Entsendung von Arbeitnehmern in das Ausland mehr und mehr an Bedeutung.

Arbeitnehmer aus einem EU-Staat sind von der belgischen Sozialversicherungspflicht befreit, wenn sie von einem Unternehmen aus einem anderen EU-Staat beschäftigt werden, dem sie gewöhnlich angehören und von diesem zur Ausführung von Arbeiten auf dessen Rechnung nach Belgien entsandt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass die vorübergehend in einem anderen Mitgliedsstaat ausgeübte Tätigkeit „ähnlich“ der im Inland ausgeübten Tätigkeit ist und die voraussichtliche Dauer dieser Arbeiten 24 Monate nicht überschreitet. Eine automatische Verlängerung ist nicht vorgesehen.

Im Falle der Entsendung ist in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht auch die elektronische Meldepflicht, LIMOSA genannt, bei den belgischen Sozialversicherungsbehörden (Rijksdienst voor Sociale Zekerheid/ Office national de sécurité sociale) zu beachten. Diese Mitteilung gilt für einen Zeitraum von maximal 12 Monaten und kann nach Ablauf für weitere 12 Monate verlängert werden.

Fragen des internationalen Privatrechts sind meist höchst komplex. Eine professionelle Beratung bei grenzüberschreitend Fragen ist daher auch innerhalb der EU unbedingt notwendig. Unser Team hat jahrelange Erfahrung mit länderübergreifenden Sachverhalten und steht Ihnen dabei gerne zur Verfügung.

 

Kontakt

Alison Hubin, LL.M.
Fachanwältin für Arbeitsrecht
alison.hubin@kockspartners-law.be